Die Feldenkrais-Methode®

Nach Dr. Moshé Feldenkrais besteht jede menschliche Handlung aus den vier Komponenten Denken, Spüren, Fühlen und Tun. Alle vier Bereiche stehen ständig miteinander in Verbindung. Über die Wahrnehmung dieser Handlungsanteile erfährt der Mensch sein individuelles Selbstbild. Die Art und Weise, wie man sich selber sieht, wie man sich selber wahrnimmt, lässt das Selbstbild entstehen. Es kann sich verändern, indem einer der vier oben genannten Komponenten bewusst verändert wird. Dadurch werden automatisch alle anderen Anteile beeinflusst. Feldenkrais wählt den Zugang zur Veränderung des Selbstbildes über die Bewegung, da Bewegung auch im Fühlen, im Denken sowie den Sinnesempfindungen, und sei es nur in geringstem Maße, enthalten ist.

Warum sollte das Selbstbild des Einzelnen verändert werden? Laut Feldenkrais nutzt der Mensch, der sich zu Beginn seines Lebens in relativ großer Abhängigkeit zu den Eltern, Lehrern und anderen Mitgliedern der Gesellschaft befindet, nur einen geringen Teil seines vorhandenen Potentials. Der junge abhängige Mensch bleibt abhängig durch die Fremdbestimmung Anderer mit deren Wertvorstellungen. Er definiert sich über ihr Lob und ihre Kritik. Auf diese Weise ist auch sein Selbstbild abhängig von der Gesellschaft, in der er lebt. Durch die Veränderung des Selbstbildes lernt der Mensch, Wege aus der Abhängigkeit hin zu mehr Reife zu finden. Er lernt, sein Potential zu erkennen und es besser zu nutzen.

Dieses Lernen nach der Feldenkrais-Methode ist kein fremdbestimmtes, intellektuelles Lernen, wie wir es von unserer Schulbildung her gewohnt sind, sondern Selbsterziehung durch organisches, neurophysiologisches Lernen. „Lernen zu lernen“ wird durch den Feldenkraislehrer ermöglicht, indem dieser den Schülern über gelenkte Aufmerksamkeit einen Rahmen bietet, in welchem der Lernprozess stattfinden kann. Im Mittelpunkt steht hierbei eine Bewusstheit, mit der zum Teil kleinste Bewegungsvariationen wahrgenommen und mit vorangegangenen Bewegungen verglichen werden. Auf diese Weise bekommt der Schüler die Möglichkeit, seine Bewegungs- und Haltungsgewohnheiten zu erkennen, damit er sie gegebenenfalls ändern kann.

In den ATM-Gruppenstunden* werden die mündlichen Bewegungsanweisungen so angeleitet, dass der Einzelne entsprechend seinen momentanen körperlichen Voraussetzungen verschiedene Bewegungen ausprobieren kann und immer auch die Möglichkeit hat, eine Pause zu machen. Dadurch arbeitet der Teilnehmer einerseits auf seinem individuellen Niveau und profitiert gleichzeitig vom Erlebnis in der Gruppe.

*) ATM ist die Abkürzung für 'awareness through movement', zu Deutsch: „Bewusstheit durch Bewegung“

Während einer FI-Sitzung* wird weniger gesprochen, dafür mehr berührt und bewegt. Die Bewegung erfolgt durch sanften Zug und Druck. Auf diese Weise erreicht man die für die Bewegung verantwortlichen Areale im Gehirn des Liegenden. Dies führt dazu, dass der Schüler seinen momentanen Ist- Zustand erkennt und aus der ihm vermittelten Sicherheit heraus ( bequeme Lagerung durch die Feldenkrais-Kissen und Rollen ) Änderungsvorschläge annehmen kann.

*) FI ist die Abkürzung für „Funktionale Integration“

Beide oben genannten Maßnahmen arbeiten am sinnvollen Selbstgebrauch des Körpers in Bezug zu seiner Umwelt und zur Schwerkraft. Der Erfolg ist äußerlich erkennbar und innerlich spürbar durch die Leichtigkeit, den effektiven Muskeleinsatz ( weder zu viel, noch zu wenig Anspannung ) und durch die Freude an der jeweiligen Bewegung. Wichtig sind die regelmäßigen Pausen, in denen das Nervensystem die Chance bekommt, sich an eine neue Haltung oder Bewegung anzupassen. Diese Anpassungsfähigkeit des Gehirns, die das menschliche Gehirn gegenüber tierischen Gehirnen auszeichnet, dauert ein Leben lang. Sie ist der wesentliche Faktor und eine große Hilfe für eine positive Selbsterziehung zur Förderung der eigenen Gesundheit. Durch sie entstehen mehr Möglichkeiten, und durch mehrere Möglichkeiten erhält der Mensch eine Wahl. Und nur wer frei wählen kann, ist in der Lage, flexibel zu agieren und zu reagieren.

Das Ziel im Sinne von Moshé Feldenkrais ist der reife, verantwortungsbewusste Mensch. Die Eigenverantwortlichkeit ist Voraussetzung für die Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen. Und die Veränderung des Einzelnen bewirkt letztendlich die Veränderung der Gesellschaft, davon war Feldenkrais überzeugt.

Birgit Lang

Wer war Moshé Feldenkrais?

Moshé Feldenkrais (1904 bis 1984) wurde in Russland geboren und lebte hauptsächlich im heutigen Israel. Er studierte in Paris Elektrotechnik und Physik und arbeitete dort als Nukleartechniker. Der sportliche junge Feldenkrais spielte Fußball, praktizierte Jiu-Jitsu und entwickelte daraus neue Selbstverteidigungstechniken. Er war der erste Judo-Schwarzgurtträger Europas und schrieb mehrere Bücher darüber. Sein neugieriger Forschergeist und eigene Erfahrungen mit Sportverletzungen ließen ihn immer wieder über die Mechanik von Bewegung nachdenken. Daraus entwickelte er im Laufe der Jahre seine eigene Methode und die Begriffe ATM und FI.

Im Alter von 40 Jahren begann er, sich ganz dieser Arbeit zu widmen, unterrichtete in Tel Aviv, in Europa und Amerika und bildete seine ersten Schüler aus.

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